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- George Sand

Software und Zement

von Sascha Frick (Mai 03)
Ich beschäftige mich beruflich mit Computern, d.h. ich versuche seit bald 20 Jahren Software zu entwickeln. Ja, Sie haben schon richtig gelesen: versuchen. Zu behaupten, es wirklich zu können, das wäre doch ziemlich unbescheiden und wohl auch nicht wahr. Ok, die Systeme, an deren Entwicklung ich in den letzten Jahren beteiligt gewesen bin, die sind im Grossen und Ganzen ja durchaus in Ordnung (sagen die Kunden). Aber wirklich zufrieden bin ich dennoch nicht. Das geht noch besser. Ich meine, es muss doch möglich sein, echte Software zu entwickeln.

Sie wissen sicher, was ich meine: eine richtige, echte Software; so was weiches, formbares, nicht der übliche programmierte Zement, der zwar vorgibt, ganz weich zu sein, aber von dem man spätestens nachdem man sich an einem seiner sog. Feature zum ersten Mal den Kopf gestossen hat, weiss, dass es sich um alles andere als um eine Software handelt. Eben nur wieder ein Programm, das irgendwer programmiert hat. Da hat sich einer oder – eher selten – eine den Kopf für mich zerbrochen, und was ist dabei herausgekommen?

Eine Ansammlung von Features und Fehlern, wobei letztere dann nicht selten auch als Feature verkauft werden. Denn das Lieblingsmotto der IT-Branche lautet eindeutig: „If you can’t fix it, feature it!“.
Zugegeben, es gibt Ausnahmen. Zum Beispiel iTunes von der Firma Apple. Ein kleines Juwel – fast schon eine richtige Software. iTunes erlaubt mir, meine Lieblingsmusik von der CD auf meinen Computer als MP3 zu kopieren, die Musik zu kategorisieren, in Wiedergabelisten zusammenzustellen und auf meinen portablen MP3-Spieler zu übertragen. So kann ich unterwegs und bei der Arbeit meine Lieblingsmusik hören.

Das freut mich, einen guten Freund und Geschäftspartner von mir schon weniger, weil er die meiste meiner Musik nicht mag. Das mit dem Kopieren der Musik von CD auf meinen Computer funktioniert einwandfrei und schnell! Immer... Nun ja, sagen wir, fast immer. Dass es in letzter Zeit immer seltener klappen will, dafür kann iTunes nichts. Das liegt an einer neuen technischen Errungenschaft, die sich Kopierschutz nennt.

Das Dumme daran: Viele moderne CD-Spieler, DVD-Player und Autoradios kommen mit dem Kopierschutz nicht klar, in diesen Geräten mutiert der Kopierschutz zur Abspielsperre. Und wer Pech hat, der bekommt so eine Un-Cd nicht einmal mehr aus seinem Autoradio oder Computer raus.

Den Kopierschutz, den hat übrigens auch irgendwer programmiert. Ein weiteres Programm, dass sicher keine Software ist, vielmehr eine ziemlich harte und unnachgiebige Mauer aus Bits und Bytes. Die Musikindustrie findet das übrigens OK, auch wenn die Audio-Cds verkaufen, die eigentlich gar keine mehr sind. Denn alle diese Abspielsperren beruhen auf der gezielten Nicht-Einhaltung des Audio-CD Standards.

Schuld an der Misere, sagt die Musikindustrie, sind all die Raubkopierer, die in Online-Tauschbörsen geklaute Musik herumreichen. Das mag wahr sein oder nicht. Für mich als zahlenden Konsumenten ist es einfach ein Ärgernis, wenn ich im Laden bald mit der Lupe jede CD untersuchen muss, auf der Suche nach meist klein gedruckten Texten, die auf einen Kopierschutz hinweisen. Nicht lustig!

Da haben wir mit dem Internet und Software wie iTunes endlich mal was wirklich Brauchbares - jenseits von Blue Screens, unerwartetn Anwendungsfehlern (als ob der Fehler in der Anwendung des Programmes läge!), pseudo-intelligenten Assistenten im Stile der hüpfenden Word-Büroklammer - und schon droht uns das alles wieder abhanden zu kommen. Erinnert sich eigentlich noch einer an das Cluetrain-Manifesto?
Wie gesagt: Ich beschäftige mich beruflich mit Computern, d.h. ich versuche seit bald 20 Jahren Software zu entwickeln. Ich weiss nicht, ob es mir je wirklich gelingen wird. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob es überhaupt schon jemand wirklich einmal geschafft hat. Programme, ja Programme gibt es viele, und ich meine nicht die Regierungs- und Parteiprogramme, sondern die, die eigentlich Software sein sollten.